Die Akupunktur ist im Umfeld der traditionellen chinesischen Medizin (TCM) als eine umfassende Behandlungsmethode entstanden. Die therapeutische Wirkung erfolgt durch Stiche mit Nadeln, die der Akupunkteur an bestimmten Körperstellen einsetzt.
Bereits im zweiten Jahrhundert v. Chr. praktizierten Ärzte in Japan und China nachweislich nach diesem Verfahren, denn die Behandlung wird in schriftlichen Quellen aus dieser Zeit erstmals erwähnt. Vermutet wird jedoch ein Alter von mehr als 3 000 Jahren. Dabei gehen die Behandler von einem gestörten Gleichgewicht zwischen Yin und Yang aus, das die Lebensenergie Qi negativ beeinflusst. Der Fluss des Qi vollzieht sich auf genau lokalisierten Leitbahnen des Körpers, den Meridianen, und übt einen lenkenden Einfluss aus auf sämtliche Körperfunktionen und die Organfunktion. Kommt es zu einer Störung dieses Energieflusses, ist eine Erkrankung die Folge. Seit Mitte des 20sten Jahrhunderts verbreitet sich die Behandlungsmethode erfolgreich auch in Europa und ergänzt mittlerweile in vielen Fällen die Schulmedizin.
Die Lebensenergie wieder herstellen
Mit den Stichen in die Akupunkturstellen auf den Meridianen bewirkt der Arzt eine Normalisierung des Qi. Die Akupressur hat dasselbe Therapieziel und arbeitet mit denselben Punkten, allerdings wirkt sie mit einem stumpfen Druck auf diese Stellen. Bisweilen ergänzen Therapeuten die Behandlung mit einer Zufuhr von Wärme oder der Anwendung von Reizstrom (TENS) an den Akupunkturpunkten.
Der Ablauf der Behandlung
Zunächst stellt der Therapeut fest, an welchen Punkten ein Überschuss oder Mangel der Lebensenergie Qui auftritt. Deshalb erfragt er die Symptome des Patienten, etwa ob und an welcher Stelle Verspannungen oder Schmerzen auftreten. Er drückt auch spezielle Reflexpunkte auf den Meridianen und ertastet so abnormale Energieverteilungen. In der TCM sind ferner die Zungen- und die Pulsdiagnose bekannt.
Im Anschluss an die Diagnose energetischer Ungleichgewichte setzt der Akupunkteur Nadeln in die entsprechenden Hautpunkte, die das Gleichgewicht der Lebensenergie wiederherstellen. Die Nadeln haben unterschiedliche Durchmesser und sind verschieden lang. Ursprünglich bestanden sie aus Gold oder Silber. Die Ärzte in westlichen Ländern verwenden jedoch heute Einmalnadeln aus dem Werkstoff Stahl, die etwa so fein sind wie ein Haar. Auch aus Gründen der Hygiene ist man von den traditionellen Materialien abgekommen.
Die Einstiche werden vom Patienten nicht als schmerzhaft empfunden, meist entsteht ein gewisser Druck und ein Gefühl von Wärme oder ein Kribbeln um den Akupunkturpunkt. Die Tiefe der Einstiche und auch die Anzahl der verwendeten Nadeln variieren je nach Behandlung, die Vorgaben der jeweiligen Akupunkturschule spielen ebenfalls eine Rolle. Der Therapeut lässt die Nadeln zwischen 20 und 30 Minuten liegen, der Patient ruht während der Behandlung im Sitzen oder im Liegen. Manche Behandler setzen eine maximale Anzahl von 16 Nadeln, die in einzelnen Fällen jedoch überstiegen wird.
Anwendungsbereiche und Therapien
In der westlichen Zivilisation konnte die Akupunktur besonders bei chronischen Schmerzzuständen immer wieder ihre Wirksamkeit unter Beweis stellen, so bei Kopfschmerzen und Migräne, bei Rückenschmerzen, Rheuma sowie anderen Gelenkbeschwerden. Bei stressbedingten Krankheitsbildern, chronischer Müdigkeit und Antriebslosigkeit konnte sich die Behandlung ebenfalls bewähren. Sie erleichtert außerdem die Geburt, und bei einer ganzen Reihe von Erkrankungen empfehlen Experten die Behandlungsmethode. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) nennt immerhin mehr als 100 Krankheiten, die durch die Therapie mindestens günstig beeinflusst, wenn nicht sogar vollkommen geheilt werden.
Aus der WHO-Liste hier die wichtigsten Erkrankungen, die auf die Akupunktur positiv reagieren:
- Adipositas
- Asthma
- Herzrhythmusstörungen
- Angina Pectoris
- ADHL
- Autismus
- Posttraumatische Belastungsstörung
- Reizdarmsyndrom
- Alzheimer-Krankheit
- Parkinson
- Vaskuläre Demenz
- Allergien
- Suchtprävention
- Raucherentwöhnung
- Schlaflosigkeit
- Menstruationsbeschwerden
- Vorgeburtliche Depressionen
Akupunktur oft nur als IGeL-Leistung
Die gesetzlichen Krankenkassen in Deutschland übernehmen seit 2007 die Kosten für eine Akupunkturbehandlung bei bestimmten Diagnosen. Soll eine Schmerztherapie erfolgen wegen chronischer Beschwerden im Bereich der Lendenwirbelsäule oder wegen einer Arthrose des Kniegelenks, zahlen die Kassen maximal zehn Sitzungen. Voraussetzung ist allerdings, dass der behandelnde Arzt entsprechende Qualifikationen nachweisen kann, etwa eine hochwertige Ausbildung in der traditionellen Heilmethode.
Alle anderen Behandlungen sind normalerweise nicht Teil des Leistungskatalogs der Gesetzlichen, und der Patient muss sie selber bezahlen, zum Beispiel als IGeL-Leistung. In einem begründeten Ausnahmefall bewilligt der Sachbearbeiter jedoch die Übernahme von bis zu fünf weiteren Sitzungen. Die Beschwerden müssen bereits seit wenigstens sechs Monaten andauern, so eine weitere Voraussetzung. Einige Kassen übernehmen die Kosten allerdings auch bei anderen Erkrankungen oder bei einer Geburtsvorbereitung. Je nach Umfang der Therapie ergeben sich Honorarforderungen von 30 bis 70 Euro für jede Sitzung.
Nebenwirkungen und Gegenanzeigen
Bei einer qualifizierten Behandlung sind ernsthafte Nebenwirkungen nicht zu erwarten. In einigen sehr wenigen Fällen kam es zu einem Wärmegefühl, Hautrötungen oder vorübergehender Taubheit. Bleiben die Nadeln übermäßig lange in der Einstichstelle, kann sich diese allerdings, unabhängig vom Material, entzünden. An einigen Punkten oder Kombinationen tritt mitunter ein leichter Schwindel auf.
Liegen an den Einstichstellen Erkrankungen der Haut vor wie Ekzeme, eine Nesselsucht, Dermatitis oder andere, sollte der Therapeut bei der Behandlung diese Zonen meiden. Ist das Schmerzempfinden eingeschränkt, etwa bei gewissen Polyneuropathien oder Nervenkrankheiten, ist ebenfalls von einer Therapie abzusehen. Gleiches gilt für gewisse Tumorarten, Epilepsie und bei schweren ansteckenden Krankheiten wie Tuberkulose.
Die westliche Wissenschaft in Erklärungsnöten
Welche Vorgänge sich im Organismus bei der Behandlung vollziehen, ist von der Wissenschaft noch nicht verstanden. Neuere Studien konnten zeigen, dass durch die Therapie eine gesteigerte Ausschüttung von Neurotransmittern stattfindet, den Botenstoffen, die im gesamten Körper wirken und wesentlich an unseren Bewusstseinszuständen beteiligt sind. Das Gehirn produziert nämlich während der Akupunktur in hohem Maße schmerzlindernde und stimmungsaufhellende Substanzen, die wir umgangssprachlich auch als Glückshormone bezeichnen. Die Endorphine gehören zu diesen Wirkstoffen, auch das Serotonin.
Andere Forschungen konnten eine Wirkung bei chronischen Schmerzverläufen nachweisen. Das gilt für die Migräne, für Spannungskopfschmerzen und chronische Rückenleiden. Vieles deutet allerdings darauf hin, dass sich einige Erkrankungen mit der Akupunktur sogar ursächlich behandeln lassen. Die Behandlungsmethode zeigt also durchaus ein weites Wirkungswirkungsspektrum und ist deutlich mehr als eine reine Schmerztherapie.
Fazit
Dennoch bestehen aus wissenschaftlicher Sicht weiterhin Zweifel. Denn der genaue Zusammenhang zwischen Akupunkturpunkten, Meridianen und Organfunktionen konnten die Mediziner bisher nicht erfassen. Das ändert jedoch nichts an der Tatsache, dass in einer Vielzahl von Fällen therapeutische Erfolge nachweisbar sind, Patienten von Heilungen berichten und sich immer mehr schulmedizinisch ausgebildete Ärzte der Methode zuwenden.